Samstag, Oktober 26, 2013

Für die, die keine Stimme haben

Für die Gescheiterten, die Gebrochenen, die Armen, die Entrechteten, die Nackten, die Verzweifelten, die Hoffnungslosen, Verrückten, Gestrandeten, die Außenseiter, die Sterbenden, die Opfer, die Verlorenen, die Gezeichneten, die Kranken, die Gewalttätigen, Drogensüchtigen und Obdachlosen, die Flüchtlinge, Minderheiten, die Diskriminierten, Ausgestoßenen, Verdammten, Vogelfreien, die Lächerlichen, die Zerstörten, die Kaputten, Geschlagenen, Vergewaltigten, die Dicken, die Gefallenen, Erniedrigten, Verbannten, die Stricher, Nutten und Zuhälter, die Ganoven, Despoten, die Arbeitslosen, Ausgebeuteten, die Verlierer, Narren und Gestörten, die Umnachteten, Behinderten, die Flaschensammler, die Unterdrückten, Gefolterten, Schreienden, die Toten, die Vergessenen, die Verwirrten, die Schutzlosen, Schwachen und Abstürzenden, die Unterschätzten, die Hungernden, die Verhungerten, die Selbstmörder, Diebe, Einbrecher, die Versager, die Dummen, die Ausgebrannten, die Verfolgten, die Unfreien, die Dementen und Krebskranken, die Gehassten und Geschassten, die Amputierten, die Komischen, die Merkwürdigen, Seltsamen, die Sonderlinge und Eigenbrötler, die Verformten, die Hässlichen, die Missbrauchten, Hypnotisierten, Gegängelten, Enttäuschten, die Schrägen, die Verschlossenen, die Gequälten.
Für all die spricht das Theater.   

Copyright C. Peitzmeier

Sonntag, Oktober 20, 2013

Wieder mal gegottschefft

Ein ganz Großer ist gegangen. Dimiter Gotscheff war, ähnlich wie Heiner Müller, dessen Texte er so oft inszeniert hat, ein absoluter Schwarzmaler und ein Vertreter des langsamen Theaters.
Und ähnlich, wie im Theater heute noch gerne gemüllert wird, wurde und wird auch gerne und viel gegottschefft. Zumindest bei mir ist es so. Dieser Mann war einfach ein Vorbild, auch für Leute wie mich, die ihn nie persönlich getroffen oder gekannt haben.
Ich habe in den Neunzigern mal im Fernsehen ein Gotscheffporträt gesehen. Da hat der, eine nach der anderen qualmend, von der Wichtigkeit des beobachtend durch die Straßen-Laufens geredet. Noch heute, wenn ich rausgehe, denke ich regelmäßig an diese frühe Inspiration.
Oder der Adlerblick. Genau das gleiche, seltene Auge wie bei Sam Beckett. Natürlich will man gern genauso scharf sehen, genauso wirklich wahrnehmen, genauso wirken.
Auch die langen Haare. Dimiter Gotscheff hat viel zu meinem Selbstbewusstsein beigetragen, als Künstler offene, lange Haare tragen zu dürfen und trotzdem sehr intellektuell auszusehen.
Die Entdeckung der Langsamkeit war zentrales Anliegen von Gotscheffs Theaterarbeit. Das hat viele extrem ermüdet, aber manchen auch den Blick in eine andere Welt gestattet, eine Welt die sich solange Zeit lässt, bis sie lavaartig erstarrt und nur noch das Hören wirkmächtig macht, eine Welt, schwarz, tot, aber auf gewisse Weise unbeschreiblich schön und groß. Wie oft habe ich mir gewünscht, diese Konzentration zu erreichen, in so einer Welt zu leben.
Man will einfach so sein wie die Stars. Und wenn ich das nächste Mal durch die Straßen ziehe, kann ich sagen, so, jetzt haste wieder mal gegottschefft.