Donnerstag, Dezember 04, 2014

Ballad of Gitmo

Im Frühlicht den heutigen Ayat murmelnd
-Dir allein dienen wir,
und dich allein bitten wir um Hilfe-[1]
Am schwarzen Ort strecken sich seine
Hände durch kleine Öffnungen
Augen, dunkel wie der Ort,
angsterfüllt,
saugen das Himmelslicht ein
bleiben destotrotz finster
der Schmerz frisst das Licht
-Doch Allah ist huldvoll gegen alle Welten-
Was er sieht, ist Stacheldraht,
dahinter stars and stripes und
das rote Schild mit einem gelben M,
wie könnte es anders sein
und das blaue Meereswasser
wenn er es sieht in seiner SEELEN-Nacktheit
leidwund in Psychosen verstrickt durch
kleine Piekser mit diversen Spritzen
psychodrogen dauerverhöre fussfesseln
mürbegemacht zerstört irre geworden
nein er schaut und sieht: wie blind.
in den Schatten seiner gezwungenen Existenz
hilft ihm nur der Limbus seiner Gebete-
-Friede sei auf Moses und Aaron- rezitiert er manchmal
An EYE FOR AN EYE thought g.w. and drank his whiskey
dachte der Wärter das hörend
und sie zerrten ihn in den Verhörraum
:THE TORTURER WAS 20 HOURS IN OPERATION:
IM GEFANGENEN KAUM MEHR LICHT
die Folterknechte gehen Burger fressen
währenddessen bricht die Seele durch
Letztes Murmeln
-Ich nehme meine Zuflucht zum Gott der Menschen vor dem Übel des Einflüsterers-
Jäher Ruck
LIGHT OF PARADISE
Sein Kopf hängt in einem Strick aus Lumpen
im Achselzucken der Militärpolizisten
steht die Morgenröte über der Bay
Eindringendes Frühlicht
A BLOODY WRITING ON THE WALL:
Nicht schuldig! (auf arabisch)
 
[1] Die in Spiegelstrichen eingefassten Zeilen sind Ayats aus dem Koran

Dienstag, November 04, 2014

Träume reiten

Der irreale Mensch, der, den der Autor erfunden hat, irrealisiert sich durch die Seiten. So irreal wie die Stille, die über den Träumen der Leser liegt, die der Autor verbrochen hat, Nämlich gar nicht irreal, sondern in der Tiefe wirklich, ja wirklicher als Außeneindrücke, wahrgenommene Linseneindrücke. Im Licht des Imaginären lebt anderländische Welt, irreal nur die gedankenlosen Träume, die, die wir nicht weiter verfolgen. Die linearen Ketten im Text abgelegter Wörter
werden von uns nicht gesprengt. Nichts ist wirklicher als Buchstaben, Buchstaben, die Träume reiten wie Dressurpferde.

Samstag, September 27, 2014

Du sollst nicht lesen!

Es gibt Leute, die selbst nicht lesen, nie gelesen haben. Die wollen mitunter bei Schreibenden mit Gewalt das Gebot: Du sollst nicht lesen! durchsetzen.

Man stelle sich vor, warum die das so machen:
Lesen ist was für Kinder, ist Flucht vor dem Leben. Und so'n selbsternannter Schriftsteller, nebenbei, das ist nichts anständiges, der muss nur schreiben, wenn der morgens lesen will, das ist zu früh, wenn der nachmittags lesen will, noch dazu auf der Couch, dann müssen wir uns schämen, denn: wo bleibt denn da die Disziplin. Und wenn der abends lesen will, dann schläft der ein. Lesen macht nur wirr, man denkt dann nicht mehr an uns, Lesen ist schädlich. Und dann noch Romane. Gut, er schreibt Romane, aber Romane lesen ist schädlich. Zwanzig Minuten gönnen wir ihm, wenn er länger liest, kriegt er wieder dieses Arschgefühl. Wenn der einen Klassiker liest, versteht der mit uns bestimmt kein Wort. Obwohl er sowas studiert hat. Hahaha! Bei uns wird er sich nie konzentrieren können, solange lenken wir ihn ab, dass ihm die Ohren klingen und er entnervt das Buch auf den Boden knallt. Wenn er dann nicht aufgibt, kriegt er Krämpfe. Wir haben das so beschlossen. Und wir ziehen das jahrelang durch, ohne, dass der das wirklich versteht. Scheiß Bildungsbürger! Der hat nix richtiges gelernt und dafür machen wir den zur Sau. Hinterher wird der noch intelligenter: Das darf auf keinen Fall passieren! Wo bleiben wir denn sonst? Wenn der liest, kann der mit uns alles machen. Also: Einfach Daumen drauf und gut ist's! Hahahahaha ...

Mir grauset es ...

Donnerstag, September 25, 2014

Eigentlich

Eigentlich habe ich Ihnen nichts zu sagen. Nein, eigentlich nicht. Wissen Sie, nicht das ich Ihnen nicht unbedingt was erzählen wollte, nein, das nicht. Bestimmt nicht. Ich hätte Ihnen einiges zu sagen, da können Sie davon ausgehen. Sogar nicht nur einiges. Nein, sondern sehr viel. So viel, das können Sie sich gar nicht vorstellen, nicht. Aber schon viel. Mehr als Sie glauben. Ich könnte Ihnen sagen, was ich unbedingt noch sagen wollte. Das würde ich wirklich gerne tun. Ich hätte so viel zu erzählen. So viel. Doch ich schweige lieber. Obwohl, lieber nicht. Aber ich tu’s. Vom Weltschmerz könnte ich Ihnen erzählen, vom Verlust des Sinns oder der menschlichen Bedingung, zu leben und zu sterben, zu leben und zu sterben, nichts weiter als das, sterben. Und vorher leben. So lange, wie möglich. Dem Knochenmann ins dreckige Gesicht lachen und leben. Ja leben. Leben. Und den anderen helfen, nicht nur, wenn ihre Schreie zu laut werden, nicht nur, wenn man dazu gezwungen ist. Mitgefühl zeigen. Und traurig sein, dass alle Deine Freunde sterben werden, sterben müssen. Wenn das nicht gesagt werden kann, kann gar nichts gesagt werden. Ja und frei sein. Freiheit, wie wichtig die is‘. Das würde ich unbedingt noch feststellen müssen, das würde ich feststellen, behaupten, herausschreien wollen. Unbedingt. Aber eigentlich geht das nicht. Nein, leider nicht. Wissen Sie, ich habe geschworen, nichts zu sagen. Ich fließe über vor dem, was ich noch unbedingt sagen wollte. Allein, es geht nicht. Weil ich nicht darf. Ich darf einfach nicht. Ich darf nichts sagen. NICHTS. Verstehen Sie das?

Freitag, Mai 30, 2014

darstellung von körperkämpfen

Menschliche Körper neigen oft dazu, Kämpfe mit anderen Körpern anzufangen. Ob bewusst oder unbewusst, ständig wandern Impulse hin und her, bauen sich Spannungen auf oder ab, wird mit Blicken um Territorien gerungen, mit Gesten Macht betoniert oder mit Energien Dominanz aufgebaut. Daraus entsteht ein ungeheurer Stress, ein ständig brodelnder Körper verbrennt irgendwann. Im Normalfall ist dieser Stress schlimm genug, doch bis zum Burnout ist es ein weiter Weg. Was passiert jetzt mit Menschen, die eine Behinderung haben, die so minderbelastbar sind, dass die diese Körperkämpfe nicht aushalten können? Ganz einfach, diese Menschen leben in Gesellschaft in ständiger Überlastung. Ich spreche von Spastikern, Dystonikern, Parkinsonerkrankten.
Diese Körperkämpfe im Theater darzustellen, hochqualifizierte Schauspielerkörper die Verrenkungen, Kontrollverluste, Verkrampfungen spielen zu lassen, auch die psychologischen Folgen dieser Körperkämpfe und der Geschichten drumherum sichtbar machen, scheint mir gesellschaftliche Pflicht des Theaters als aufklärerischer Instanz zu sein. Ähnliche Fähigkeiten hat kein anderes Medium. Höchstens der Film. Wenn das Theater es schafft, die Problemfelder von Bewegungsgestörten so zu vermitteln, dass dadurch ein Problembewusstsein zumindest in Teilen der Gesellschaft entsteht, wäre Vielen geholfen. Zudem könnte daraus eine wunderbare Choreografie entstehen, tolles Theater, dass begeistert.

Donnerstag, April 17, 2014

Echte Osterhasen grasen das Feld ab

Na, ja, Ostern ist für mich die Möglichkeit, mich einmal im Jahr auf der Basis einer Religionskritik mit dramatischen Mitteln auch den Binnendiskursen der christlichen Religion zu nähern. Die daraus entstehenden Texte sollen Ausgangspunkt einer gleichsam tiefensymbolischen, theatralen Kritik der christlichen Problem-KOMPLEXE sein (ganz, ganz grob in die Richtung von Großmeister Castellucci), vllt. gespiegelt durch eine Umdeutung ins Politisch Sakrale. Also, grasen wir das christliche Feld für das Theater ab, in diesen Tagen, da der Christen mythische Macht am Zenit ihrer erzählerischen und bildhaften Wirkmächtigkeit steht, zu Ostern und beschäftigen wir uns damit, christliche Bedeutungskomplexe wie Angst/Strafe/Sünde/Schuld/Kontrolle/ Macht/ Panoptismus/Psychose an dieser mythischen Macht, der christlichen Texte, ex negativo genau so zu vermessen, dass das Korrelat aus Mythos und Komplex, auf der Bühne, diese Komplexe selbst sichtbar macht, aufbricht und, vllt., politisch umdeuten kann.

Dienstag, Februar 25, 2014

Theater und Mythos

Ebene Kosmos/Götter/Mythos II

Die Aufgabe, eine eigene Mythologie zu schöpfen, die sich an die Erkenntnisse der letzten zwei Jahrhunderte aus Physik und Astronomie anpasst, ist nicht klein.
Der Mensch hat sich immer gefragt, woher die Menschen kommen, was sie hier machen und wohin sie gehen. Die meisten Mythologien sind auf diesen Fragen aufgebaut.
In früheren Zeiten versuchte man durch das Starren in den Sternenhimmel, durch das Deuten von Eingeweiden oder durch religiöse Rituale, mitunter in Höhlen oder inmitten von Steinkreisen, der Faszination der ewigen Fragen näherzukommen.
Später wanderte der Mythos aus Religion und Spiritualität aus und in die KUNST ein. Gerade im Theater ist das evident. Zunächst sind die Anfänge des Theaters in der griechischen Tragödie fast immer auf die alten Mythen bezogen, die erst auf der Agora, dann im Dionysostheater mithilfe menschlicher Darstellung eine eigene Dinghaftigkeit entwickeln konnten.
Die deutschen Klassiker, uA Schiller, Kleist, Goethe, führten in ihrer Griechenlandverliebtheit diese Tradition fort. Auch die Tradition des Mysterienspiels seit dem Mittelalter reproduzierte, meist christliche, Mythen. Goethes Faust meistert diesen Komplex für die Epoche der Aufklärung. Auch und gerade Wagner ist Epigone und Neugestalter alter Mythen im Theater.

Das heutige Theater benutzt die alten Blaupausen für Ausdeutungen der Gegenwart und schafft so neue, relevante Kontexte. Dazu nimmt es die modernen Mythen, wie Filme, Romane, Kunstwerke und nutzt diese Dinge für die Zwecke der Inszenierung. Und es schafft, die neuen Antworten auf die alten Fragen zu untersuchen und, spielerisch, unterhaltend dem Zuschauer zu vermitteln.

Für eine neue Mythologie im alten Sinn, können wir Figuren erschaffen, Menschen und Götter, die die alten Fragen im modernen Sinn interpretierend, doch vA dazu da sind, dem Zuschauer zu gefallen. Da kann man richtig schöne Sachen mit machen.

Freitag, Januar 10, 2014

Entfremdete Verfremdung?


Nach Brecht muss die Theateraufführung die Prozedur des Verfremdens durchlaufen. Sein episches Theater sollte die kritische Denkfähigkeit, den rationalen Verstand schärfen, um der (Bühnen-)Illusion zu entgehen. In Ablehnung der aristotelischen Katharsis geht es bei Brecht nicht um Einfühlung, Erleben oder um exakt so etwas wie Reinigung, sondern um die Ermächtigung des Zuschauers zu eigenständiger Ideologiekritik.
Brechts Theorie zur Verfremdung schließt allerdings so, wie sie ist, zu viel aus. Der Zuschauer ist auch empfänglich für subtilere Impulse. Am empfänglichsten ist er, wenn er, gut unterhalten, im dramatischen roten Faden und in der Liveness der Theateraufführung so weit versinken kann, dass er sich selbst, sein eigenes Leben, seine eigenen Probleme vergessen kann. Jetzt ist er offen für etwas Anderes. Zum Beispiel für das Problem der Demenz oder der Flüchtlingsthematik, die etwa auf der Bühne präsentiert werden. Solche Diskurse, mit unterhaltendem Erzähl/Showtheater verbunden, dringen viel tiefer in den Zuschauer ein, als es die reine Behauptung der Ratio könnte. Wenn wir jetzt jedoch die epischen Bühnenmittel der Verfremdung so geschickt nutzen, dass sie die karthatische Intensität der Aufführung unterstützen, dann erhalten wir ein synthetisches, brodelndes Substrat der eigentlichen Ideen, die dahinter und dazwischen die Szenerie beherrschen.
Die des Gefühls, der sinnlichen Erfahrung entfremdete Verfremdung, eingebunden in so etwas wie Theater als Ereignis und Geschichte, wird in entsprechender Synthesis ihre Erfüllung finden können.
Der frühe Brecht hat selbst durchaus so inszeniert.